Das Historische Schützenfest in Hemeringen mit der Schlacht am Hemeringer Berg.

Seit 1842 wird in Hemeringen ein ganz besonderes Schützenfest gefeiert. Es findet nur alle vier Jahre statt und hat seinen Ursprung in einer Begebenheit die sich um 1813 in Hemeringen ereignet haben soll.

Hemeringen ist ein Ortsteil von Hessisch Oldendorf und liegt auf der südlichen Weserseite zwischen Hameln und Rinteln. Erstmalig urkundlich erwähnt wird das Dorf anno 1145. Es hat etwa 1500 Einwohner und ist auch weithin als „Klein Berlin“ bekannt. Den Namen „Klein Berlin“ hat es von den Einwohnern der umliegenden Ortschaften bereits vor langer Zeit bekommen, weil die Hemeringer schon vor der Annektierung des Königreichs Hannover durch Preußen sehr preußenfreundlich waren.

1842 wurden die Hemeringer Bürger von der Obrigkeit vor die Wahl gestellt jährlich ein Volksfest oder einen Jahrmarkt abzuhalten. Man entschied sich für ein Schützenfest. Ab 1850 sind alle Schützenkönige bekannt und 2023 findet das Fest zum 42. Mal statt. Seit 1929 wird es alle vier Jahre gefeiert. Das Fest wird zwar als Schützenfest bezeichnet, hat aber wenig gemeinsam mit einem herkömmlichen Schützenfest.

Nach der Völkerschlacht bei Leipzig im Jahre 1813 zogen marodierende Soldaten und Söldner auf ihrem Rückzug nach Frankreich durch Deutschland. Ein solcher Haufen zog auch durch Hemeringen und ermordete einen Bürger. Daraufhin bildete sich eine Bürgerwehr, welche die „Räuber“ bestrafte und über die nahe Landesgrenze in das Kurfürstentum Hessen jagte. Dieses Ereignis ist die Grundlage, auf der das HISTORISCHE SCHÜTZENFEST mit dem KAMPF UM DEN HEMERINGER BERG fußt. Es wurden bereits damals für den Ablauf des Kampfes genaue Regeln festgelegt, die bis heute noch ihre Gültigkeit haben. Mit wenigen Ausnahmen sind auch die Uniformen der einzelnen Kompanien seit der Zeit unverändert.

Am ersten Schützenfest waren wahrscheinlich nur die Schützen, die Räuber, die Artillerie und die Zipöre beteiligt. Später kamen die Kavallerie, und die Schwerenotskompanie dazu. Für die jüngeren Männer wurde 1920 die Burenkompanie aufgestellt. Die Wahrendahler stellten 1920 ebenfalls eine eigene Kompanie auf - die Alpenjäger. In den 1980er Jahren wurde die Pfennigkompanie gegründet.

Die königstreuen Kompanien sind die Schützen, die Buren, die Schwerenotskompanie (Knüppelgarde), die Bummsköppe (Artillerie) und die Zipöre. Die Ehrendamen aus Hemeringen feuern die königstreuen Kämpfer an. Sie werden von einem Damenleutnant angeführt. Der Oberst kommandiert die königstreuen Kompanien zusammen mit seinem Adjutanten. Die Erzfeinde des Königs sind die Räuber, die Alpenjäger und die Kavallerie. Die Damenkompanie „Alpenrosen“ motiviert die räuberischen Horden. Auch sie werden von einem Damenleutnant angeführt. Die Führungsoffiziere der Räuber sind der Festungskommandant mit seinem Adjutanten und der General. Neutral sind die Stabsärzte, Apotheker und Krankenschwestern. Sie bringen alle Verwundeten und schlapp machenden Kämpfer mit kräftigenden Getränken wieder auf die Beine. Die Pfennigkompanie sorgt dafür, dass die Zuschauer mit den für den Kampfplatz benötigten Eintrittskarten versehen werden. Musikalisch begleitet werden die Übungsabende, die Umzüge, der Große Zapfenstreich und das Gefecht von der Brass Band Rot-Weiß Hemeringen und einer weiteren Kapelle.

Ungefähr sechs Wochen vor dem Schützenfest erfolgt die Mobilmachung. Dazu wird ein überlieferter Text verlesen, der die „Klein Berliner“ zu den Waffen ruft. Jetzt beginnt es in Hemeringen langsam ernst zu werden. Erste Fahnen werden an den Häusern gehisst und Nachbarn, die sich eigentlich gut verstehen, werden für einige Wochen zu erbitterten Gegnern. Man wird zwar nicht handgreiflich, aber die eine oder andere verbale Äußerung fliegt schon einmal über den Zaun.

Nach der Mobilmachung folgen die Übungsabende. Etwa 450 Aktive treffen sich an der Schule zur Formalausbildung. Die Kampfformationen und der Parademarsch werden so lange geübt bis der Oberst zufrieden ist. Nach dem harten Drill geht es in die Quartiere. Zur der Musik der beteiligten Kapellen wird oft bis in den nächsten Morgen gefeiert. Da fast jede Kompanie ein eigenes Kompanielied hat, werden die Übungsabende häufig zu einem Sängerwettstreit.

Zum Schützenfest Wochenende wird Hemeringen mit Fahnen und Girlanden geschmückt. Es beginnt am Sonnabend mit der Generalprobe. Dabei wird der Ablauf des Kampfes geübt, bis wirklich alles reibungslos klappt. Am Abend trifft sich das Bataillon in Uniform auf der Gefechtswiese, Fackelträger ziehen auf, die Kompanien treten an und die Kapellen spielen auf Befehl des Königs den Großen Zapfenstreich. Nach dem Zapfenstreich wird ausgiebig mit vielen Gästen im Festzelt gefeiert.

Am Sonntagmorgen um sieben Uhr ist für die Aktiven die kurze Nacht vorbei. Die Bummsköppe wecken Hemeringen mit Salutschüssen der „Dicken Berta“. Diese Kanone ist eine Besonderheit. Das erste Böllerrohr wurde schon 1850 angeschafft und auf eine handgezogene Lafette montiert. 1925 wurde der Böller auf die „Dicke Berta“ gebaut und seitdem wird die Kanone von vier schweren Pferden gezogen. Sie wurde nie für ernste Einsätze genutzt, sondern diente nur dem historischen Schützenfest in Hemeringen. Nach dem Wecken ziehen bei den Offizieren die Wachen auf. Mittags tritt das Bataillon an zum Marsch durch „Klein Berlin“ und zum Gefecht um die Vorherrschaft in Hemeringen. Der Kampf findet auf der wunderbar gelegenen, von Wald umgebenen Gefechtswiese am Hemeringer Berg statt. Dort befindet sich die Festung Königstein, die von den Räubern und ihren Verbündeten bis zum Letzten verteidigt wird. Nach Kavallerieangriffen, Beschuss durch Artillerie und vielem Hin und Her steht dann endlich der Sieger fest. Die Räuber kapitulieren und schleifen ihre Festung. Mit Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde wird für die kommenden vier Jahre Frieden geschlossen. Der Wortlaut der Urkunde ist seit 1850 unverändert. Zu Ehren der Königsfamilie und zur Freude der Zuschauer erfolgt nach der Kapitulation die Parade des Bataillons mit dem Parademarsch der Fußtruppen und dem Vorbeiritt der Kavallerie und der bespannten Einheiten.

Nach dem Katerfrühstück am darauffolgenden Montag muss das Bataillon noch einmal kämpfen. Die Alpenjäger haben sich in ihren „Freistaat Wahrendahl“ zurückgezogen und wollen die Niederlage nicht akzeptieren. Um Wahrendahl zu befreien räumen die Zipöre mit ihren scharfen Äxten die aufgetürmten Barrikaden und ermöglichen so den königstreuen Kompanien den Vormarsch. Schließlich müssen sich die Alpenjäger ergeben und der Frieden ist für die nächsten vier Jahre sicher. Der anschließende Umzug durch „Klein Berlin“ bietet ein ganz besonderes Spektakel bei dem die Zipöre im Mittelpunkt stehen. In Anlehnung an die Pariser Kommune von 1871 errichten Frauen in Hemeringen Barrikaden, welche von den Zipören geräumt werden müssen. Unter großem Hallo und gelegentlich auch mit Schaden an Fenstern und Eingängen werden die schuldigen Frauen eingefangen, mit durch das Dorf geführt und anschließend in Gewahrsam genommen. Dort können sie später ausgelöst werden. Nach dem Königsschießen am späten Nachmittag steht der neue Schützenkönig fest und er wird bis zum nächsten Morgen gefeiert.

Etwa 400 Aktive nehmen am Schützenfest teil, nicht die gerechnet, die Hemeringen schmücken und anderweitig für das Schützenfest tätig sind. Für die Hemeringer Bürger ist dieses Historische Schützenfest vor allem eine Gelegenheit, im Sinne der Tradition gemeinsam ein ganz besonderes Fest zu feiern und nicht wegen des Schlachtgetümmels. 

 

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Die 1. Kompanie beim Historischen Schützenfest Hemeringen sind die

Klein Berliner Zipöre

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